Nur 15 Prozent
Gerade einmal 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland sind mit Herzblut bei ihrer täglichen Arbeit. Dieses wohl ziemlich niederschmetternde Fazit zieht eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Darüber berichteten gerade mindestens zwei deutschen Tageszeitungen. Nur fünfzehn Prozent sind mit Herzblut bei der Arbeit? Was ist da denn los? Und was ist mit der überwiegenden Mehrheit deutscher Arbeitnehmer? Welche Gründe gibt es und welche Fragen wirft das für dich auf, wenn du sogar selber in einer Führungsposition stehst?
Für den nicht ganz unbedeutenden „Rest“ sieht es dann ziemlich düster aus. Sogar 70 Prozent der Befragten hätten in der Gallup-Umfrage angegeben, lediglich „Dienst nach Vorschrift“ zu machen. Zudem würden sie sich emotional nur gering an den Job gebunden fühlen. Wer gerade mal „Dienst nach Vorschrift“ macht, ist im Job zwar anwesend, innerlich aber eigentlich gar nicht da. Überlege mal: das gilt für fast ¾ der deutschen Arbeitnehmer.
Die verbleibende Gruppe von ebenfalls 15 Prozent der Arbeitnehmer gab der Umfrage zufolge sogar an, bereits innerlich gekündigt zu haben. Wie bitte? Ja, fünfzehn Prozent der deutschen Arbeitnehmer gehen jeden Tag bereits mit der inneren Kündigung an ihren Arbeitsplatz! Wahnsinn! Dieses Ergebnis zeichnet ein noch immer ziemlich desaströses Bild der deutschen Arbeitswelt. Zugleich ist es aber auch ein Bild darüber, wie (schlecht) sich die Beschäftigten in Deutschland offensichtlich geführt fühlen.
Wichtigeres als „mehr Geld“?
Für uns kommt das Ergebnis durchaus nicht unerwartet. Es berührt zugleich eines unserer tiefen beruflichen Herzensthemen: die Frage von wirklich guter Führung in der Arbeitswelt. Da möchten wir doch einen genaueren Blick wagen, schon wegen der einschlägigen Erfahrungen aus unserer eigenen Angestelltenzeit. Und unserer Entscheidung sie zu verlassen.
Bei der Frage nach dem „warum“ hat der Autor dieser Studie offensichtlich eine klare Antwort: Es liege an den Chefs. Es gebe noch zu viele Defizite bei der Führung. Offensichtlich tun sich Vorgesetzte noch immer viel zu schwer, grundlegende Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu achten. Zu den vermissten Bedürfnissen zählen ganz vorneweg:
- die Erfahrung von Wertschätzung, die sich zumindest in einem konstruktivem Feedback ausdrückt
- das Bedürfnis nach Klarheit im Hinblick auf die konkreten Erwartungen des Arbeitgebers, insbesondere bei der Frage, Aufgaben und Prioritäten klar zu vermitteln.
Wertschätzung und Klarheit sind also viel entscheidendere Faktoren für die Motivation der Mitarbeiter als z.B. eine bessere Bezahlung. Auch Arbeitsräume mit Wohlfühlatmosphäre, Rückzugsräume oder sportliche Angebote wie Tischtennis oder Billard-Tische, die teilweise die großen Internet-Firmen wie Amazon, Facebook oder Twitter anbieten, sind offensichtlich überbewertet. Sie tragen ebenso wenig entscheidend dazu bei, Mitarbeiter an das jeweilige Unternehmen zu binden, wie eine angesagte Einrichtung der Geschäftsräume.
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Arbeitnehmer, die sich nicht mehr an ihren jeweiligen Job gebunden fühlen, werden durch steigende Fluktuation zu einer immer größeren Gefahr für Unternehmen. Ganz besonders in Zeiten, wo Fachkräfte zunehmend fehlen. Da wäre es umso wichtiger, auf entsprechend gute Führung zu achten und auf die beiden wichtigsten Grundbedürfnisse von Mitarbeitern intensiv einzugehen:
- Klarheit über die Aufgaben im Job
- und Wertschätzung.
Es scheint ja simpel, was benötigt würde, um Mitarbeitern zu ermöglichen, mit Herz und innerer Motivation ihre Aufgaben zu erledigen. Warum ist es dann so schwer?
Nur eine Frage guter Führung?
Vielleicht steckt ja eine sich hartnäckig haltende alte Arbeitgeber-Überzeugung dahinter, dass „zufriedene“ Mitarbeiter zu wenig leisten würden. Vielleicht auch der Irrtum, dass Geld der größte Motivator für Mitarbeiter und ihre Aufgabenerledigung sei. Selbst wenn das noch so sein sollte, wären beide auch über die Ergebnisse der Gallup-Befragung hinaus mittlerweile längst widerlegt. Der brasilianische Unternehmer Ricardo Semler beispielsweise hat mit dem Unternehmensführungsmodell seines Firmenimperiums SEMCO seit mehr als 20 Jahren bewiesen, wie Firmen äußerst erfolgreich erblühen, weil ihre Mitarbeiter sich allesamt mit Herzblut mit ihrem Unternehmen identifizieren. Was genau dazu führt, beschreibt er in seinem Buch „Das 7-Tage-Wochenende“:
„Es ist das Fehlen von formaler Struktur, die Art und Weise, wie wir Kontrolle abgeben, so dass die Arbeiter ihren Interessen und ihren Instinkten folgen können, wenn sie Projekte oder Arbeitsfelder auswählen. Wir insistieren darauf, dass die Arbeiter zu erst ihre persönlichen Herausforderungen und Zufriedenheit suchen, bevor sie versuchen, die Ziele des Unternehmens zu erfüllen. Es ist die Art und Weise, wie wir unsere Mitarbeiter ermutigen durch ihren Tag und die Woche umherzuschweifen, so dass sie sich in neue Ideen und Geschäftsfelder mäandrieren. Es wird deutlich in der Art und Weise, wie wir Demokratie und offene Kommunikation umarmen und zu Fragen und Dissens ermutigen.„*
Der entscheidend andere Ansatz
neben quasi nicht existierenden Hierarchie-Ebenen scheint auch darin zu bestehen, aus unternehmerischer Sicht explizit zu erwarten, dass die Beschäftigten
- zuerst ihre persönlichen Herausforderungen und Zufriedenheit suchen, bevor sie sich um die Ziele des Unternehmen kümmern.
Es scheint also auch für die unzähligen Firmen innerhalb dieses Konzern mit high-level-Dienstleistungen oder Produkten extrem erfolgreich zu funktionieren, wenn Mitarbeiter sich wie Erwachsene behandelt fühlen und ihre Grundbedürfnisse auch im Betrieb respektiert und zufrieden gestellt werden.

Ricardo Semler
Zu den weiteren Grundpfeilern dieses SEMCO-Erfolgsmodells zählen
- Respekt als Erfolgsrezept
- Vertrauen statt Kontrolle
- keine Hierarchie – dafür selbstverantwortliche Teams
- keine Personalabteilung
Das beinhaltet auch, dass firmenseitig ausdrücklich gefordert und gefördert wird, dass Menschen ihre Bedürfnisse nicht nur erkennen, sondern sich auch „erlauben“, sie selbstverständlich zu leben und sogar einfordern dürfen, bevor die Ziele des Teams oder des Unternehmens zum Zuge kommen.**
Vielleicht fällt es deutschen Führungskräften auch deshalb so schwer auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einzugehen: die Mitarbeiter kennen die eigenen Bedürfnisse selber noch zu wenig. Das gilt ebenso die Chefs. Was die echten eigenen Bedürfnisse sind, finden Menschen z.B. im Rahmen einer guten Coaching-Begleitung in der Persönlichkeitsentwicklung heraus. Das gilt nicht nur für Führungskräfte. Immer wieder erleben unsere Klienten auf dem Weg zu ihrer natürlichen Führungspersönlichkeit, welch gravierende Veränderungen für sie möglich werden, wenn sie ihre wirklichen eigenen Bedürfnisse kennen lernen. Und wenn sie die eigenen Bedürfnisse zu unterscheiden beginnen von denjenigen, die letztlich in erster Linie Erwartungen anderer bedienen. Das gilt im Beruf ebenso wie privat.
Auch für dich als Führungskraft gilt: nur in den seltensten Fällen wird „mehr Geld“ dein allergrößtes echtes Bedürfnis sein. Lerne also deine eignen Bedürfnisse wirklich kennen und beginne sie zu schätzen und leben. Es macht dein eigenes Leben glücklicher und erfolgreicher, je selbstverständlicher du sie lebst. Das hilft dir ebenso dabei, die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und selbstverständlicher zu respektieren. Du „erntest“ dadurch erheblich mehr zufriedene Menschen in deiner Umgebung. Und mehr Erfolg. Beruflich wie privat. Wir helfen auch dir gern dabei.
Wie zufrieden bist du selber an deinem Arbeitsplatzes als natürliche Führungspersönlichkeit? Was machst du vielleicht anders? Welche Erfahrungen mit guter oder weniger guter Führung hast du selber schon gemacht? Was wäre dein dringendstes Bedürfnis, das erfüllt sein müsste, damit auch du zu den 15 Prozent der Deutschen zählst, die mit Herzblut bei ihrer Arbeit sind? Schreibe uns doch gleich deinen Kommentar.
Lieber Winfried,
ein für mich wichtiges Fazit in deinem Artikel, ist die Entdeckung der eigenen Bedürfnisse. In der immer komplexer werdenden Arbeitswelt, wird es ja auch für Führungskräfte immer schwerer zu agieren. Wie will man Mitarbeiter führen, wenn man verlernt hat sich selbst zu führen? Und das passiert ja leider so schleichend, dass es viel zu lange selbst nicht wahrgenommen wird.
Ein guter Artikel – gefällt mir!
Herzliche Grüße
Sandra
Herzlichen Dank für Deinen Kommentar, liebe Sandra!
Und ja, auch Führungskräfte kennen noch viel zu wenig ihre echten eigenen Bedürfnisse. Und deine Frage trifft genau des „Pudels Kern“. Eben weil sie offensichtlich viel zu oft unbeantwortet (oder zu wenig wirklich ehrlich beantwortet) ist, kommen die Ergebnisse der Gallup-Umfrage auch heute noch zustande. Es gibt viel zu tun… 😉
Herzliche Grüße
Winfried
Lieber Winfried
Ich erlebte während meiner Angestelltenzeit exakt dasselbe. Sogar als ich noch in Führungspositionen tätig war, erlebte ich unfähige Chefs.
Ich bin jedoch der Meinung, dass nicht nur die Chefs für die desaströse Situation verantwortlich gemacht werden können. Vielmehr sind es auch die ArbeitnehmerInnen die solche Situationen dulden und in der Komfortzone verharren. Jeder Einzelne muss sich bewegen, will er eine Veränderung bewirken.
Herzliche Grüsse und vielen Dank für den wertvollen Beitrag.
Johann
Herzlichen Dank für deinen wichtigen Beitrag, lieber Johann!
Das Führungs-Desaster scheint weitaus größer als weithin angenommen. Und ja, deine Ansicht teilen wir uneingeschränkt: statt zu jammern kann sich jede/r selber aufmachen, seine natürliche Führungspersönlichkeit zu entdecken und zu leben. – „Schlechte Karten“ für schlechte Chefs… 😉
Herzliche Grüße
Winfried
Hallo Winfried,
ich habe das Glück, an meinem Arbeitsplatz genau das zu erleben, was ich brauche: Wertschätzung und Freiheit und einen Chef, dem ich vertraue. Und das als Angestellte der Bundesagentur für Arbeit!
Ich coache eine Gruppe Arbeitsloser, kann machen, was ich für nützlich und richtig halte und habe praktisch Narrenfreiheit und einen Chef, der auch mir vertraut. Gut bezahlt ist es auch. Gute Realitätsgestaltung, vielleicht auch aufgrund deines Coachings.
Aber du hast recht, wenn ich diese Freiheiten nicht hätte, wäre ich nicht so zufrieden.
Liebe Grüße
Nicole
Liebe Nicole,
herzlichen Dank für dein Feedback. Toll, dass es sich für dich so entwickelt hat.
Das macht noch einmal deutlich, wie wichtig es auch für Führungskräfte ist, für sich selber möglichst genau herauszufinden, was die eigenen Schwerpunkte und Bedürfnisse an den Arbeitsplatz sind. Und das dann klar zu kommunizieren, damit sich etwas positiv verändern kann.
Weiterhin so viel Freude bei deinem Tun!
Winfried