Was dir eine Stellenanzeige für Führungskräfte verrät
Neulich in einer deutschen Tageszeitung: Stellenanzeige für Führungskräfte. Eine nicht unbedeutende öffentlich-rechtliche Körperschaft für Bank- und Finanzdienstleistungen will den Leitungsposten einer Filiale in Norddeutschland neu besetzen. Oh, denken sich da Coaches für natürliche Führungspersönlichkeiten sofort, klingt doch interessant. Mal sehen, wonach die wirklich suchen. Und – fast schon wie eine „Berufskrankheit“ – erhebt sich uns auch gleich die spannende Frage: wie wird die dabei benötigte Führungskompetenz darin wohl beschrieben?
„Aufgaben“ und „Profil“
Zwei Bereiche sind im übersichtlich gestalteten Anzeigentext enthalten und jeder ist – die Symmetrie fordert schließlich schon optisch ihren Tribut – in jeweils vier Unterpunkte gegliedert. Zunächst werden die Aufgabenbereiche beschrieben, die der Bewerber künftig erledigen soll. Und klar, dass Akquisition und Ausbau der bestehenden Kundenbeziehungen ebenso dazu gehören wie Förderung, Motivation und Führung der Mitarbeiter. Von selbst versteht sich ebenso die zu einer solchen Führungsposition gehörende Verantwortung für das Team und die Weiterentwicklung der Geschäftsstelle.
Schließlich sind bei den Aufgaben noch „Flexibilität und Engagement gefragt“ sowie „Durchsetzungskraft erforderlich“. Moment mal, waren wir nicht noch in der Abteilung „AUFGABEN“? Doch! Und schon lesen wir weiter…
Zum erwarteten Profil potentieller Kandidaten zählt dann im Text – durchaus selbstredend und nachvollziehbar – eine qualifizierte bankfachliche Ausbildung. Auch eine ausgeprägte Vertriebsorientierung von Bewerbern und ein „Gespür für Menschen und Märkte“ verwundert ebenso wenig wie die benötigte Fähigkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten und mit Begeisterung interne wie externe Prozesse zu steuern. Auch die Auszeichung durch gute Kommunikationsfähigkeiten wird erwartet. Das war’s im Kern.
Und was ist mit Führungskompetenz?
Berechtigte Frage, zumal für eine Führungsposition. Wir gehen noch mal zurück im Text und stellen jetzt erstaunt fest, was beim ersten Lesen einfach durchgerutscht ist. Hinweise auf Führung finden sich sowohl in den Beschreibungen der Aufgaben wie beim Profil. Bei den zu erledigenden Aufgaben wird der Begriff „Führungskompetenz“ ganz ungeniert durch die Erklärung präzisiert: „…, die geprägt ist von natürlicher Autorität, schaffen Sie eine Atmosphäre von inhaltlicher Effektivität und gegenseitigem Vertrauen, wobei der Fokus auf den Erfolg (unseres Unternehmens) gerichtet ist.“
Und im Bereich Profil, dem der geneigte Leser die mitzubringenden persönlichen Fähigkeiten des künftigen Stelleninhabers entnehmen kann, fällt ebenfalls der Begriff von Führungskompetenz, diesmal jedoch in diesem Zusammenhang: „Sie haben umfassende Markterfahrung im Privatkundengeschäft gesammelt und Ihre Führungskompetenz unter Beweis gestellt“.
Die Führungs-Botschaft „hinter der Botschaft“ – aus unserer Sicht
Wenn du in diesem Unternehmen ein ganz „normaler“ Mitarbeiter bist, wirst du’s nicht leicht haben. Dein künftiger Chef hat nämlich die Aufgabe, mit seiner Führungskompetenz eine Atmosphäre von inhaltlicher Effektivität und gegenseitigem Vertrauen zu schaffen. Dabei soll allerdings sein Fokus auf dem Erfolg des gesamten Unternehmens liegen. Was so nett formuliert klingend daher kommt, scheint in Wirklichkeit ein Ding der Unmöglichkeit. Kein Chef kann eine Atmosphäre VON gegenseitigem Vertrauen schaffen. Etwas anderes wäre die Formulierung: … Atmosphäre FÜR gegenseitiges Vertrauen. Das ist keineswegs „Wortklauberei“. Hier geht’s um Essentielles.
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Eine Atmosphäre FÜR Vertrauen zu schaffen, dürfte ohnehin schon eine gewichtige Führungsherausforderung sein. Erst recht, wenn der Fokus der Chefaktivitäten nicht auf seinen jeweiligen Mitarbeitern als Mensch liegt. Diese Fähigkeit ist hier offensichtlich gar nicht gefragt. Der Chef-Fokus soll erklärtermaßen neben dem Erfolg der Filiale zugleich auf den Erfolg des Gesamtunternehmens ausgerichtet sein. Erfolgreiches Führungsverhalten, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, scheint beim ausschreibenden Unternehmen resonanzlos ignoriert zu werden. Ausgewiesenen Erfolgsmodellen à la SEMCO – sogar in wirtschaftlicher Hinsicht – zum Trotz.
Darauf sollte man nicht nur als Mitarbeiter, sondern erst recht als Bewerber für einen Chefposten dort gefasst sein. Auch in seiner künftigen Position ist dieser ja später ebenfalls wiederum „nur“ Mitarbeiter im Gesamtunternehmen, bei dem auch er als MENSCH nicht im Mittelpunkt steht. Als künftiger Filialen-Chef muss dem erfolgreichen Bewerber demnächst also die „Quadratur des Kreises“ gelingen, wenn die bedeutungslose Sicht der Führungskraft auf den Mitarbeiter als Mensch sich zugleich auch gegen ihn selbst richten kann. Wie soll er da „überleben“ ohne sich selbst zu verbiegen?
Erzwungenes Mitarbeiter-Vertrauen?
Da gibt es noch ein andere Hürde in der Formulierung: ob ein Mitarbeiter seinem Chef vertraut oder nicht, liegt definitiv im persönlichen Entscheidungsbereich eines Mitarbeiters. Vertrauen zu gewähren ist eine freiwillige Haltung eines Mitarbeiters und sicherlich wohltuend für beide Seiten, wenn es diese gegenseitige Vertrauensebene zwischen Chef und dem einzelnen Mitarbeiter gibt.
Vertrauen lässt sich allerdings nicht erzwingen. Weder durch eine Führungsposition noch durch eine Führungsperson. Vertrauen kann ein Mitarbeiter seinem Vorgesetzten schenken, wenn es die erspürten Rahmenbedingungen hergeben. Bei dieser Stellenausschreibung scheint die Vertrauensgewährung des Mitarbeiters gegenüber dem (künftigen) Chef allerdings zum definierten Aufgabenbereichs des Chefs zu zählen. Und das, obwohl der Chef mit seinem Fokus nicht nur auf den Erfolg seiner künftigen Filiale, sondern des Gesamtunternehmens ausgerichtet ist. Wie kann das gelingen, ohne andere zu verbiegen?
Eine gute Führungskraft kann durchaus den Raum für mitarbeiterseitiges Vertrauen zu ihr durch ihr eigenes Führungsverhalten schaffen. Das wird sich vermutlich umso einfacher ergeben, je mehr eine Führungskraft auf den einzelnen Mitarbeiter und seine jeweiligen Bedürfnisse als Mensch eingeht. Und dessen Wachstums- und Entwicklungsbedürnisse innerhalb des Teams und des Unternehmens berücksichtigen und fördern kann. Wir würden diese wunderbare FührungsGABE (nicht –aufgabe!) in einer Stellenbeschreibung für Führungskräfte allerdings eher bei den Details des Profils von Bewerbern suchen – nicht bei den Aufgaben.
Vertrauen lässt sich schließlich nicht einfordern, auch nicht, wenn es wie vorliegend definierter Teil einer Aufgabenwahrnehmung sein sollte. Genau dazu wäre nach der Stellenausschreibung der künftige Chef einer Filiale jedoch verpflichtet. Diese Erkenntnis schiebt den imaginären Vorhang über das Führungsverständnis dieses Unternehmens ein enthüllendes Stück zur Seite. Zumindest auf den Teil des dortigen Umgangs mit ehrlichem, freiwilligen Vertrauen.
Obendrein würde es auch ein bezeichnendes Licht auf das Führungsverständnis von Bewerbern werfen, zumindestest dann, wenn sie diese Erwartung im späteren Bewerbungsgespräch nicht hinterfragen und bei fehlender Korrektur an ihrer Bewerbung festhalten würden.
Zählt der Ellbogen als Führungskompetenz?
Wir lernen: in dem ausschreibenden Unternehmen scheint der einzelne Mitarbeiter als Person und Mensch eher nicht im Fokus zu stehen. Damit nicht genug, denn im Absatz Profil war ja noch etwas über Führungskompetenz beschrieben, die von potentiellen Chefs mitzubringen sei: „…umfassende Markterfahrung im Privatkundengeschäft gesammelt und Ihre Führungskompetenz unter Beweis gestellt“.
Da stellt sich uns schlicht die Frage, wie man – wohlgemerkt als mitzubringende Fähigkeit – den Nachweis erbringt, in Verbindung mit umfassender Markterfahrung im Privatkundengeschäft „Führungskompetenz unter Beweis gestellt“ zu haben. Wir vermuten mal, es könnte in der „Übersetzung“ soviel bedeuten wie: „Ich boxe mich in der Sache knallhart durch. Meine Ergebnisse und die der „Besiegten“ bestätigen das.“ Wird Führung hier vielleicht mit Siegermentalität verwechselt?
Vielleicht ist dieses Verständnis wichtig für ein Unternehmen wie dieses, zumal mit einem zumindest zweifelhaften Führungsverständnis. Dass herausragende wirtschaftliche Ergebnisse eines Unternehmens durch bewusst auf den Mitarbeiter als Mensch gerichtetes Führungsverhalten im Unternehmen quasi nebenbei entstehen, ist hinlänglich bekannt. Für dieses Unternehmen ist das offenbar irrelevant.
Motivation?
Und da war noch die Aufgabe des künftigen Stelleninhabers zur Motivation der Mitarbeiter. Wann endlich verstehen es Unternehmen, dass niemand jemand anderen motivieren kann? Motivieren kann nur jeder sich selber. Dazu motivieren, etwas Bestimmtes zu tun. Oder eben zu unterlassen. Vorbilder können dabei durchaus helfen, mehr allerdings auch nicht. Der Schleier des Führungsverständnisses in diesem Unternehmen ist nun gänzlich gelichtet …
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Fazit:
Trau – schau – wem. Das gilt erst recht bei Stellenausschreibungen für Führungspositionen.
Suchst du selber nach einer Führungsposition? Auf was achtest du dabei? Was ist hinsichtlich erwarteter Führungsqualitäten für dich dabei wichtig? Wir freuen uns schon auf deinen Kommentar.
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